Die Corona-Krise ist auch eine sozialpolitische Krise
Von einer „Bazooka“ sprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz in martialischem Ton als er die staatlichen Hilfen für krisengebeutelte Unternehmen vorstellte, die durch die aktuelle Corona-Krise in finanzielle Schieflage geraten. Das Schutzpaket der Bundesregierung gegen die absehbar auftretenden sozialen Probleme scheint hingegen nicht dem ausgerufenen Motto „Whatever it takes!“ zu folgen. Zwar sind einige der Instrumente, wie der erleichterte Zugang zum Kinderzuschlag für Familien mit krisenbedingten Einkommensverlusten, dringend notwendig. In der gesellschaftlichen Breite der nun auftretenden Notlagen verfehlt der Flickenteppich von Maßnahmen der Bundesregierung jedoch sein Ziel.
Während die Unternehmen auf Kredithilfen in unbegrenzter Höhe hoffen dürfen, bietet das Gesetz gerade bei den Ärmsten kaum Schutz. Familien in Hartz IV gehen nahezu leer aus. Wenn in den Supermärkten besonders die günstigen Produkte zuerst vergriffen sind und das Mittagessen in Schulen und Kitas wegfällt, steigen die Lebensunterhaltungskosten. Deshalb muss nun dringend als Sofortmaßnahme der Regelsatz für Kinder und Erwachsene erhöht werden. Auch die Millionen Arbeitnehmerinnen, die nun in Kurzarbeit gehen, stehen vor tiefen Einschnitten, da die Lohnersatzleistungen von 60% in vielen Fällen zur Deckung von Mietkosten und Lebensunterhalt nicht ausreichen werden. Deshalb ist eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes sowie eine faire Verteilung der zu tragenden finanziellen Last zwischen Unternehmen und ihren Beschäftigten unbedingt notwendig.
Im Kampf gegen die gesellschaftlichen Verwerfungen in Corona-Zeiten wirken die Maßnahmen der Regierung wie ein sozialpolitischer Offenbarungseid. Klarer denn je treten in der aktuellen Krise die anhaltenden Missstände der überholten Hartz-IV-Gesetzgebung hervor. Wenn wir aus dem Umgang mit der Pandemie Lehren für unser gesellschaftliches Miteinander ziehen wollen, dann zeigt sich deutlich: Wir brauchen einen sozialstaatlichen „New Deal“ anstelle eines „Weiter so!“ bei dem Versuch, die unzähligen Löcher im derzeitigen Auffangnetz immer von neuem zu stopfen.
Die wirksamste sozialstaatliche „Bazooka“ wäre dabei ein System, das die Notwendigkeit finanzieller Hilfen in Notlagen in vielen Fällen erst gar nicht entstehen lässt. Wir GRÜNE in Karlsruhe sprechen uns daher für eine umfassende Form der Grundsicherung wie zum Beispiel ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, das sowohl in wirtschaftlich stabilen als auch in Krisenzeiten Menschen dauerhaft wirksam vor Armut schützt. Bereits in der aktuellen Ausnahmesituation könnte die vorübergehende Einführung einer solchen Grundsicherung flächendeckend soziale Absicherung ohne bürokratische Hürden schaffen und somit auch Familien in verdeckter Armut erreichen. Auf lange Sicht kann so die individuelle Freiheit der Bürgerinnen erhöht und ein vertrauensvolles Verhältnis zum Staat und seinen demokratischen Institutionen gestärkt werden – was besonders in Krisenzeiten von unschätzbarem Wert ist.
Auch wenn die aktuelle Situation unsere Gesellschaft zum Abstand voneinander drängt, so weckt sie vielfach auch ein starkes und solidarisches Miteinander in vielfältig kreativen Formen. Sobald die gesundheitliche Krise überwunden ist, sollten wir uns an dieses Verbundenheitsgefühl erinnern und endlich die andauernde soziale Krise in unserem Land entschlossen angehen.